Institutsgeschichte

Das Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien deckt als einziges Universitätsinstitut in Österreich die Geschichte, Literatur, Sprache, Kunst und Kultur des Byzantinischen Reiches seit der Spätantike sowie der neuzeitlichen Griechen seit der Frühen Neuzeit und des griechischen Staates seit seiner Gründung 1830 in Forschung und Lehre ab. Es wurde 1962, zunächst nur als Institut für Byzantinistik gegründet. Den Ruf auf den neu eingerichteten Lehrstuhl erhielt der bis zu diesem Zeitpunkt an der Österreichischen Nationalbibliothek tätige Herbert Hunger (1914-2000). Der Privatdozent (später ao. Titularprofessor) Polychronis Enepekides (*1917, seit 1982 i.R.) hielt Lehrveranstaltungen zur Neugriechischen Sprache, Kultur und Geschichte. Bis 1975 war das Institut in der Hanuschgasse 3 untergebracht, seitdem befindet es sich in der Alten Universität (Postgasse 9).
Nach der Umbenennung in „Institut für Byzantinistik und Neogräzistik“ (1980) wurde 1982 der Lehrstuhl für Neogräzistik geschaffen und im Jahr darauf mit dem bis zu diesem Zeitpunkt an der Universität Göttingen lehrenden Ost- und Südosteuropa Historiker mit Griechenland Schwerpunkt Gunnar Hering (1934-1994) besetzt. Als Ordinarius für Byzantinistik folgte Herbert Hunger 1985 Johannes Koder nach (bis 2010). Otto Kresten wurde 1981 zum ao. Professor, dann zum Universitätsprofessor für Byzantinistik mit Schwerpunkt in den Hilfswissenschaften ernannt (bis 2008); 1982 bis 1998 leitete er das Historische Institut beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom. Weitere Stellen besetzten Wolfram Hörandner und Werner Seibt (beide bis 2007). 1976 wurde auf die neue Professur für Byzantinische Kunstgeschichte, die das Institut mit jenem für Kunstgeschichte teilt, Helmut Buschhausen berufen (bis 2002). 

Sowohl die Byzantinistik als auch die Neogräzistik wurden an der Universität Wien als gesamtkulturkundliche Fächer konzipiert. Lehre und Forschung setzen sich mit Themen aus der Linguistik und Sprachdidaktik, der Philologie und Literaturwissenschaft, der Kunst sowie der Geschichte in der gesamten chronologischen Ausdehnung beider Fächer auseinander. Bekannte an der Universität Wien (oft in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) etablierte Langzeitprojekte betreffen unter anderem die Historische Geographie, die Lexikographie, die Sigillographie, die Prosopographie, die materielle Kultur, die Reiseliteraturforschung des Mittelalters und der Neuzeit, die Begriffsgeschichte, die Medien- und Kulturgeschichte der Neuzeit. 

Das Institut zeichnet sich heute durch ein international profiliertes wissenschaftliches Personal aus, das in vielen Bereichen der beiden Fächer Byzantinistik und Neogräzistik tätig ist und sich die Erhaltung und Stärkung seiner Spitzenposition in Forschung und Lehre als Ziel setzt. Als UniversitätsprofessorInnen sind A.E. Müller (Byzantinistik-Hilfswissenschaften für die Bereiche Byzantinistik und Neogräzistik seit 2009), Claudia Rapp (Byzantinistik seit 2010), Maria A. Stassinopoulou (Neogräzistik seit 2002) und Lioba Theis (Byzantinische Kunstgeschichte seit 2005) sowie Christophe Erismann (Assoz. Prof. Byzantinische Geistesgeschichte seit 2019) tätig. 

Das Institut verfügt über eine der weltweit größten Fachbibliotheken (LeiterInnen der Fachbereichsbibliothek Prof. Dr. Ernst Gamillscheg bis 1992, Prof. Dr. Michael Grünbart bis 2008, seitdem Dr. Anna Ransmayr) mit rund 150 laufenden Periodica und 43.000 Bänden. Das Institut betreut gemeinsam mit der Abteilung für Byzanzforschung des Instituts für Mittelalterforschung der ÖAW das Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik jetzt "Journal of Byzantine Studies" (JOB) sowie die Reihe Byzantina et Neograeca Vindobonensia (Mitherausgeberin Maria A. Stassinopoulou), ferner die Reihe Studien zur Geschichte Südosteuropas (Mitherausgeberin Maria A. Stassinopoulou). In enger Zusammenarbeit mit dem Institut fungieren die Österreichische Byzantinische Gesellschaft (ÖBG, 1946 gegründet) und die Österreichische Gesellschaft für Neugriechische Studien (ÖGNS, 1988 gegründet), die beide Vorträge, Ausstellungen und Konferenzen organisieren.

Seit seiner Gründung investierte das Institut stark in die Vernetzung mit anderen Fächern innerhalb der Universität Wien und mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie in internationale Kooperationen. In der Zeit des Kalten Krieges übte es in der byzantinistischen Forschung eine Brückenfunktion zwischen Ost und West aus, eine Tradition der Kontakte, die heute im Rahmen der Vienna Dialogues-Conversation und cooperation weitergeführt wurde. Als eines der ersten Institute der Universität Wien ist es bereits seit 1992 am Erasmus-Austausch von Studierenden, NachwuchswissenschaftlerInnen (Erasmus-Placements) und Lehrenden beteiligt. Neben den eigenen DoktorandInnen und post-docs weilen alljährlich etablierte KollegInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen im Rahmen von Kooperation am Institut, nutzen die Bibliotheksbestände und stehen im Gedankenaustausch mit den hier Lehrenden. 

Weiterführende Literatur

Die Entwicklung der Byzantinistik in Österreich nach dem zweiten Weltkrieg
in: Byzantinobulgarica 4 (1973)

Gunnar Hering (Nachruf)
in: Synchrona Themata 18/56 (1995)

Gunnar Hering (Nachruf)
in: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 45 (1995)

In memoriam Gunnar Hering
in: Zeitschrift für Balkanologie 33/1 (Wiesbaden 1997)

Herbert Hunger (Nachruf)
in: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 2000 (München 2001)

Herbert Hunger (Nachruf)
in: hellenika Jahrbuch 1999/2000

Herbert Hunger (Nachruf)
in: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 50 (2000)

Byzantinistische Forschung in Österreich
Historicum, Winter 2001/2002