Die byzantnischen Bleisiegel in Österreich: Zentral und Provinzialverwaltung
Die Siegel sind jener Bereich der byzantinischen Quellen, aus denen in Hinkunft die meisten neuen Erkenntnisse für die historische Forschung, insbesondere für Prosopographie, Verwaltungsgeschichte, historische Geographie und Kunstgeschichte zu erwarten sind. Während die meisten anderen Quellen bereits gut ediert sind, harrt auf sigillographischem Gebiet noch ein sehr großes Feld der gründlichen Bearbeitung. Nach älteren Vorarbeiten wurden erst im letzten halben Jahrhundert Fortschritte in den Methoden erzielt, hier müssen wir aber noch deutlich weiterschreiten. Kaum 20% des erhaltenen Bestandes können heute als ausreichend publiziert eingestuft werden.
In methodologischer Sicht, wo die entscheidende Forschungsinnovation anzusiedeln ist, geht es primär um eine Verbesserung und Absicherung der Kriterien für eine relativ enge Datierung, ferner um das Problem, wann Bullen, die einander nur ähnlich sind, ein und derselben Person zugesprochen werden dürfen. Erst nach Klärung dieser Fragen kann an eine seriöse Kommentierung der Denkmäler herangegangen werden, mit der Aussicht auf relativ wahrscheinliche Identifizierungen mit anderweitig überlieferten Personen. Auch bezüglich der Entwicklung bestimmter Ämter, bezüglich der relativen Chronologie der Amtsträger im militärischen, zivilen und kirchlichen Bereich warten auf die Sigillographen in Hinkunft vermehrte Aufgaben.
Der Ruf Wiens als eines der Zentren für byzantinische Siegelkunde fußt nicht zuletzt auf den Spezialdateien, die an der Kommission für Byzantinistik der ÖAW aufgebaut wurden, allen voran die systematische Photothek. Dagegen ist die Zahl der hier aufbewahrten Original-Siegel eher bescheiden (ca. 1200). In den 70er Jahren wurde (mit Hilfe des Fonds) ein erster Teil dieser Siegel vom Antragsteller des eingereichten Projektes bearbeitet (der Band erschien 1978), und zwar die auf Kaiser, Kaiserhof und Titelwesen bezüglichen Bullen. Die Fortsetzung, die nun endlich in Angriff genommen werden soll, ist den Bereichen Zentral- und Provinzialverwaltung gewidmet (es handelt sich in ersterem Fall um ca. 200 Siegel, im zweiten um 250 oder etwas mehr). Als Mitarbeiterin ist Frau Dr. Alexandra Wassiliou vorgesehen, die neben einer gediegenen Griechisch-Ausbildung im Rahmen ihres Doktorates zur ausgezeichneten Sigillographin wurde und mit der Dissertation schon gewisse Vorleistungen für das Projekt erbracht hat, so daß sie imstande sein sollte, das gesamte Manuskript in den vorgesehenen drei Jahren abschließen zu können. Der Kommentar wird kurz und prägnant sein, dem der Edition der Siegel in Dumbarton Oaks vergleichbar.
Im Rahmen internationaler Kooperationen sollen zwei Wissenschaftler aus Griechenland bzw. Rußland auf der Basis kleiner Werkverträge eingebunden werden, primär um Vergleichs- bzw. Parallelmaterial abzuchecken. Dadurch kann bei den notwendigen Reisekosten deutlich gespart werden.
Projektleiter:
Prof. Dr. Werner SEIBT
Institut für Byzanzforschung der ÖAW
Wohllebengasse 7/1/3
1040 Wien
werner.seibt@univie.ac.at
Tel. (1) 51581 3430
Beginn: 01.04.1999
Ende: 31.08.2002