Nachrichten zum kaiserlich-byzantinischen Urkundenwesen in arabischen Quellen vom 7. Jhdt. bis zum Jahre 1025

Im Rahmen dieses Projekts wurden zum ersten Mal in der Geschichte der Byzantinistik arabische Quellen in Hinblick auf das darin enthaltene Nachrichtenmaterial zum byzantinischen Urkundenwesen (= Kanzleischriftgut des oströmischen Reiches) für den Zeitraum 565-1025 systematisch ausgewertet und nach modernen quellenkritischen Kriterien analysiert. Aufgrund der aus dem Projekt erwachsenen Publikationen bekommt der interessierte Leser einen Einblick in die Art und Weise, wie Byzantiner und Araber im Laufe ihrer jahrhundertelangen Koexistenz als die beiden dominierenden politischen Machtfaktoren des östlichen Mittelmeerraums miteinander in schriftliche Kommunikation traten, offizielle Verhandlungen in Form von Gesandtschaften führten, Verträge abschlossen und welche Inhalte bei all diesen Vorgängen zur Sprache kamen. Da von einigen Papyrusfunden aus Ägypten abgesehen kein einziges Originalstück dieses Schriftgutes auf uns gekommen ist, ist die heutige Forschung fast ausschließlich auf sekundäre Berichterstattung in mittelalterlichen historiographischen Quellen angewiesen. Eine befriedigende Interpretation kann dabei nur durch eine Einbindung moderner methodischer Ansätze für die Analyse von Quellenmaterial erreicht werden, die im Rahmen dieses Projekts vornehmlich aus den beiden wissenschaftlichen Zweigen der Byzantinistik und der Arabistik, in weiterer Folge aber auch aus der westlichen Nachbarwissenschaft der Mediävistik geschöpft wurden.

Im einzelnen konnte für den Zeitraum 565-811 eine Übersicht von 367 Einträgen aus arabischen Quellen über schriftliche Äußerungen (Briefe, Verträge, Verwaltungsschriftgut) des oströmischen Kaisers oder eines untergeordneten weltlichen oder kirchlichen Amtsträgers vorgelegt werden, die chronologisch geordnet, in einen ereignisgeschichtlichen Kontext eingeordnet und inhaltlich analysiert wurden. In gesonderten Publikationen konnten am Beispiel von Ägypten (640-646) und Zypern (649, 653) die komplexen Vorgänge bei Verhandlungen und Vertragsabschlüssen zwischen byzantinischen Amtsträgern und arabischen Eroberern einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden. Zwei Publikationen widmen sich aus jeweils unterschiedlicher Blickrichtung dem diplomatischen Verkehr zwischen Byzanz und arabischen Potentaten, wobei es im einen Fall vornehmlich um die Verwendung von Chrysographie (Goldtinte auf Purpurpergament) bei Auslandsbriefen an muslimische Destinatäre und im anderen Fall um ein Kapitel aus dem sogenannten Zeremonienbuch über Staatsempfänge am Kaiserhof in Konstantinopel geht. In einem weiteren Beitrag wird der Phänotyp des kaiserlichen Auslandsbriefes des 10. Jahrhunderts an muslimische Destinatäre untersucht. Neben Formelgut und Argumentationsschemata geht es dabei auch um die Frage, wie weit diese nur sekundär in narrativen Texten überlieferten Briefe durch die historiographische Tradition verändert und (absichtlich oder unabsichtlich) verfälscht wurden.

 

Projektleiter:
Prof. Dr. Otto KRESTEN
Institut für Byzantinistik und Neogräzistik
Postgasse 7/1/3
1010 Wien
otto.kresten@univie.ac.at
Tel. (1) 4277 41010

 

Beginn: 01.07.1997
Ende: 31.03.2001