Byzantinistik, quo vadis?

 

FESTGABE

JUNGE RÖMER – NEUE GRIECHEN

für Prof. HÖRANDNER, Prof. KODER, 
Prof. KRESTEN, Prof. SEIBT

 

 

Im März 2007 beschlossen 19 junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien studiert hatten bzw. noch studieren, für ihre akademischen Lehrer, 
Univ.-Prof. Dr. Wolfram Hörandner, o.Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Johannes Koder, Univ.-Prof. Dr. Otto Kresten und Univ.-Prof. Dr. Werner Seibt, 
aus Anlass ihres 65. Geburtstages eine Festgabe mit Beiträgen zusammenzustellen, um den vier Jubilaren für ihren unermüdlichen Einsatz in der Lehre und ihre Unterstützung im Studium zu danken und gleichzeitig die Bandbreite und Fortwirkung der von ihnen initiierten Forschung zu dokumentieren. 

Da diese Festgabe im Gegensatz zum üblichen Procedere tatsächlich eine Überraschung werden sollte, gingen die Vorbereitungen und Arbeiten an diesem Sammelband unter höchster Geheimhaltung vor sich; diese Geheimhaltung erstreckte sich auch auf den Phoibos Verlag, dessen Leiter Mag. Roman Jacobek bereitwillig den Band in sein Programm aufnahm, und die Verantwortlichen des Instituts für Byzanzforschung, Dir. Dr. Peter Soustal und Dir. Stv. Dr. Christian Gastgeber, welche die Genesis der Festgabe mit Rat und Tat unterstützten. 

Als Anfang 2008 die baldige Fertigstellung des Buches abzusehen war, galt es nun einen Weg zu finden, alle vier Professoren an einem Ort zu versammeln und ihnen die für sie vorbereitete Überraschung zu überreichen. 
Dafür konnte die Hilfe des ORF-Radiojournalisten (Ö1) Mag. Martin Haidinger, welcher der Wiener Byzantinistik schon seit längerem verbunden ist, gewonnen werden; er lud – mit Unterstützung von Dir. Dr. Peter Soustal – die vier Jubilare für den Abend des 5. März 2008 zu einer vermeintlichen Podiumsdiskussion „über Stand und Zukunft der Forschung und Lehre eines „exotischen“ Faches in Wien“ mit dem Titel "Byzantinistik, quo vadis?" in die Seminarräume des Instituts für Byzanzforschung der ÖAW in der Wohllebengasse (4. Bezirk). 
Nicht nur die Professoren Hörandner, Koder, Kresten und Seibt sagten ihre Teilnahme an dieser brisanten Diskussion zu, das Thema mobilisierte eine auch sonst selten bei byzantinistischen Veranstaltungen zu beobachtende Zahl von mehr als 60 Besuchern, die großteils gleich den Jubilaren eine „normale“ Diskussionsveranstaltung erwarteten. 
Umso überraschter waren Podium und Publikum, als die Veranstaltung von einer Spontandemonstration „aufgebrachter“ Jungbyzantinisten unter der Rädelsführung der beiden Herausgeber der Festschrift, Dr. Mihailo Popović und Dr. Johannes Preiser-Kapeller (beide am Institut für Byzanzforschung beschäftigt) unterbrochen wurde; die Demonstranten schwenkten Schilder mit Slogans wie „Byzantinisten fordern Brot“ und „Lindert das Gelehrtenleid“ und brachten ein an Ptochoprodromos (byzantinischer Dichter in der Volkssprache, 12. Jh.) angelehntes Protestgedicht zur Verlesung:

 

Byzantinistische Gelehrtenklage (frei nach Ptochoprodromos)

Seit frühester Kindheit schärft mir ein mein guter alter Vater:

Mein Kind, erlern die Wissenschaft, Glück, Ehr und Ruhm wirst ernten.

Denn wenn mein Rat dich überzeugt und das, was ich dir sage,

so wirst du werden hoch geehrt und Karriere machen.

Als ich die Worte habe gehört, mein Herr, des alten Vaters,

Hab ich mir Bildung zugeführt mit ziemlich großer Mühe,

Begab mich in die Wienerstadt, studiert´ Byzantinistik

Mit Plagen, Schmerzen, großem Leid, das ich kaum schildern möchte.

Am Donnerstag, frühmorgens schon, ging ich zu übersetzen,

was Hörandner an Versen fand, bei Prodromos und Philes,

ehe der Hahnschrei noch ertönt, las ich die Prosa rhythmisch,

und quälte mich mit Binnenschluss, und Silben, zwölf und fünfzehn.

Dann wartete Herr Koder schon, der Löwe der Rhomäer,

mit Toponymen sonder Zahl, wo dicht die Slawen wohnten.

Dazu noch ein Kontakion von Roman dem Meloden,

im Hörsaal pfiff der kalte Wind, und er sprach von Gemüse.

Obgleich mir schon der Magen knurrte, Fettaug´n schwommen reichlich

nur in Herrn Krestens Schriftenschatz, Minuskel gabs statt Suppe.

Ein Chrysobull mit Wasserfleck, die Schrift fast nicht zu lesen,

Monokondyl und Ligatur, bis mir die Augen schwommen.

Zu guter Letzt stürzt auf mich ein mit Titeln über Titeln

gestrengen Blicks auch rasch noch Seibt, der Herr der Rangeslisten,

und wirft um sich mit Klumpen Blei, man sollt drauf was erkennen,

der Kratzer auf dem Revers hier heißt wohl Sebastokrator.

Nachdem geworden bin auch ich ein Freund der Byzantiner,

Hätte ich gern auch ein Stückchen Brot oder nur ein paar Krümmel.

Oh hätt ich damals doch gelernt ein ordentliches Handwerk,

da macht ich auf den Speiseschrank und fänd ihn voll bis oben.

Doch wenn ich öffne jetzt den Schrank, seh ich nur alle Böden,

ich blick auf Stapel von Papier, voll mit Papier bis oben.

Das Maß ist voll, schwer drückt das Leid, es schrei´n die Jungen Römer

Genug von Corpus Fontium, nie mehr Palaiologen!

Wie schon einst mancher ausgeführt:

"Was soll Byzantinistik?

Las wer schon das Eparchenbuch? Prodromische Gedichte?

Der Siegel Blei, so schmelzt es ein, man kann das Erz verkaufen!

Und schabt herab vom Pergament die unverstand'nen Texte!"

Ja, dieser war ein weiser Mann, das Haupt der Wirtschaftskammer,

auf ihn hätt´ich stets hören soll´n, und nicht auf meinen Vater.

Doch ging den Weg ich nicht allein, es gibt noch viele and´re,

die lernten Griechisch und Latein, die toten Idiome.

Studierten gar Monotropos, Psellos und wie sie heißen,

doch nichts, was unsre Wirtschaft hebt, was Geld abwirft in Massen.

Und nicht genug, sie schrieb´n ein Buch, gefüllt mit diesem Unsinn,

ohn´daß sie je den Markt befragt, ob´s einer lesen möchte.

So steh´n sie hier mit dem Produkt, das ihre Dummheit kündet,

und bieten es den Herren dar, die sie im Wahn bestärkten,

zu forschen nach Rhomäerkunst, Rhomäergeist und –sitte,

damit es einer je nur liest, dies sei nun uns´re Bitte!

 

Nunmehr wurde den vier Jubilaren je ein Exemplar der 275 Seiten dicken Festgabe mit dem Titel
"Junge Römer - Neue Griechen. 
Eine byzantinische Melange aus Wien"
überreicht, dessen Umschlag Jugendbildnisse der vier Professoren zierten. Nachdem damit den meisten Anwesenden im Saale klar geworden war, daß die Veranstaltung einem anderen als dem angegebenen Zweck diente, klärte Dr. Popović die „Verschwörung“ gänzlich mit folgenden Worten auf:

„Sehr geehrte Jubilare, 
Sehr geehrte Damen und Herren, 
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Nach dieser witzigen Einlage trete ich als Kontrast ernsthaft in Erscheinung, was sich unter anderem in dieser Kleidung äußert.Ich hoffe inständig, daß Sie, sehr geehrte Jubilare, uns unser Einfallen und unsere Vorgehensweise verzeihen werden. Das Buch, das Sie in Händen halten, ist nicht ausschließlich das Produkt der zwei Herausgeber, die hier vorne stehen, sondern vielmehr das Gemeinschaftsprodukt Ihrer Studentinnen und Studenten, von denen eine große Zahl heute im Publikum sitzt. Es ist dies ein aufrichtiges Dankeschön für Ihre Lehre, Ihre Hilfe und Ihre Unterstützung, die Sie uns allen gewähren. Dafür möchten sich alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen herzlich bedanken. Gleichzeitig überbringe ich Ihnen herzliche Grüße und Glückwünsche derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die heute nicht bei uns sein können, weil sie im Ausland leben und arbeiten, womit bereits die Überleitung zum Buffet geschaffen wäre, bei dem die anwesenden Kolleginnen und Kollegen Ihnen persönlich gratulieren werden und mit Ihnen ins Gespräch kommen werden.“
Die Überraschung war somit völlig gelungen, wie auch Prof. Koder, der das Wort ergriff, bestätigte, und gleichzeitig für die Festgabe allen anwesenden Beitragenden herzlich dankte. Auch die anderen drei Jubilare, Prof. Hörandner, Prof. Kresten und Prof. Seibt, zeigten sich freudig überrascht. 
Bei einem kleinen Umtrunk klang diese Veranstaltung der etwas anderen Art noch sehr gemütlich aus.

Ort: Institut für Byzanzforschung der ÖAW, 
Zentrum Mittelalterforschung
Wohllebengasse 12-14, 1040 Wien (Seminarraum)
Beginn: Mittwoch, 5. März 2008, 18:30 Uhr