Adolescence in Byzantium

Ziel des Projekts ist, im byzantinischen Kulturraum die entscheidende Phase des Überganges von der Kindheit zum Erwachsensein, in der sich die materielle, emotionale und geistige Loslösung von den Eltern und die schrittweise Verselbständigung des Individuums vollzieht, für die Zeit vom 6. bis zum 11. Jahrhundert einer systematischen Untersuchung zu unterziehen.

Arbeitshypothese: Ausgangspunkt der Untersuchung sind die folgenden drei wesentlichen Gründe für die "Entlassung": allgemeine oder berufsspezifische Ausbildung; Verheiratung (bzw. vorangehende Verlobung); Klostereintritt. Während im Fall einer "Entlassung" während der Kindheit die Entscheidung für die möglichen Lebenswege fast ausschließlich von den Eltern bzw. den Vormündern getroffen wurde, ist zu klären, inwieweit bei der "Entlassung" von Jugendlichen diese selbstbestimmt und aktiv gestaltend waren und wie weit auch hier der elterliche Einfluss (mit)entscheidend war. Auf Grund der Quellenaussagen soll weiters ein Bild der emanzipatorischen Verhaltensformen der Jugendlichen erarbeitet werden.

Die Arbeitsmethode basiert auf einer analytischen Lektüre der schriftlichen Quellen der Zeit vom 6. bis zum 11. Jahrhundert, zu der bildliche Quellenaussagen ergänzend hinzu treten. Das gesammelte Material wird durch komparative Analyse, Synthese und Interpretation der Informationen aufbereitet. Hierbei werden die Quelleninformationen mit Hilfe psychologischer und sozialanthropologischer Forschungsansätze bearbeitet und bewertet.

Die Ergebnisse einer systematischen und quellenorientierten Analyse der Adoleszenz werden das bisherige Bild von Kindheit und Jugend in Byzanz weitestgehend berichtigen und ergänzen, und darüber hinaus wesentlich differenzierter gestalten. Die durchgängige soziale und ökonomische Abhängigkeit von der Familie hat zur Folge, dass die beiden Lebensphasen der Kindheit und Jugend, die eng miteinander verknüpft sind, vielfach erst in einer vergleichenden, quellenkritisch und zeitlich differenzierenden Betrachtung beider Phasen in ihren Nuancierungen und Unterschieden fassbar werden. Aktuelle Theorien über die Erscheinungsformen der Adoleszenz lassen insbesondere die Frage stellen, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß und in welchen Modifizierungen diese auf mittelalterliche Bedingungen (unter Berücksichtigung der spezifischen Quellenlage) übertragbar sind. Die Analyse der "Entlassung" aus der Familie gestattet weiters nicht nur Einblicke in die Zukunftserwartungen - und deren Wandel - der jeweiligen Elterngeneration, sondern auch allgemein der Gesellschaft bezüglich der jeweils nachrückenden Generation.

 

Projektleiter:
Univ.Prof. Dr. Johannes Koder
Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien
Postgasse 7/1/3
1010 Wien
johannes.koder@oeaw.ac.at

Projektmitarbeiter:
Dr. Despoina Ariantzi
Institut für Byzantinistik und Neogräzistik
Postgasse 7/1/3
1010 Wien
despoina.ariantzi@univie.ac.at



Beginn: 15. Jänner 2011
Ende: 14. Jänner 2014