Die Komposition von Psalmen in Mittel- und Spätbyzanz

FWF-Einzelprojekt
Projektleiter: Nina-Maria WANEK
e-Mail: nmwanek@wvnet oder nina-maria.wanek@univie.ac.at

Projektbeginn: 01.07.2020
Projektende: 30.06.2024

Die Komposition von Psalmen zählt zu einem der am wenigsten erforschten Gebiete der byzantinischenMusik, obwohl die Psalmodie die Grundstruktur und Gliederung des täglichen Stundengebets und der Litur­gien bildet. Die Texte der 150 biblische Psalmen des Psalters nehmen einen zentralen Stellenwert in der by­zantinischen Kultur und ihrer Rituale ein. Sie wurden durch die Jahrhunderte immer wieder in vielen ver­schiedenen Fassungen und Stilen vertont und inspirierten eine Fülle an heute bekannten oder aber anonymgebliebenen Komponisten. Tatsächlich ist byzantinische Musik ohne Psalmen nicht denkbar.Bislang wurden Psalmvertonungen jedoch nur flüchtig in Zusammenhang mit anderen Gesangsgattungenoder in Einzelstudien erforscht, die lediglich einen einzigen Psalm oder Psalmkomplex behandeln. Darüberhinaus lag der Fokus bisher hauptsächlich auf den melismatisch ausgeschmückten spätbyzantinischen Kom­positionen des 14./15. Jhds. und nicht auf den frühen, syllabischen Vertonungen, die unter dem Begriff“ einfache Psalmodie” bekannt wurden. Eine Untersuchung der Geschichte byzantinischen Psalmschaffensvon den Anfängen im 10./11. Jhd. bis zum Fall von Konstantinopel (1453) existiert somit derzeit noch nicht. Die einfache Psalmodie ist deshalb für die Erforschung der byzantinischen Musik von solch grundlegen­der Bedeutung, weil in ihr der Schlüssel zum Verständnis der Psalmkomposition vermutet wird: Es wird an­genommen, dass diese einfachen Vertonungen eine Art Grundstruktur enthalten, die sich nach und nach zum„Rückgrat“ der kunstvoll ausgeschmückten Psalmen entwickelte. Darüber hinaus dürfte es sich bei diesenfrühen Psalmkompositionen um Musterverse gehandelt haben, die aus dem ersten Vers eines oder mehrererPsalmen bestanden und sich an dem dem byzantinischen Modalsystem orientierte. Es hat daher den An­schein, dass schon von frühesten Zeiten an ein System von Psalmtönen bestanden hat, obwohl es dazu in denbyzantinischen theoretischen Traktaten keinen Hinweis gibt.Trotz ihrer erwiesenen Bedeutung wurde die einfache Psalmodie bislang nur in Ansätzen untersucht. Umein tiefergehendes Verständnis für die byzantinische Psalmkomposition durch die Jahrhunderte zu entwi­ckeln, wird das Projekt daher seinen Schwerpunkt auf die Analyse der Grundstrukturen und der Kompositi­onstechniken der einfachen Psalmodie und deren Überlieferung in den melismatischen Psalmen des 14./15.Jhds. legen. Diese Analysen und Vergleiche ausgewählter Psalmen der Abend­ und Morgenoffizium werdensowohl über einen Zeitraum von fünf Jahrhunderten durchgeführt, als auch über Gattungen und Stile hinweg.Das Projekt wird somit die erste representative Studie zu dem umfassenden Gebiet der byzantinischenPsalmodie bringen, in der ca. hundert der wichtigsten byzantinischen Handschriften aus dem 10. bis 15. Jhd.,die Psalmen enthalten, berücksichtigt werden. Die Ergebnisse werden sowohl als Monographie als auch inzwei umfassenden Artikeln in Peer­Review Magazinen herausgebracht werden.